An diesem sonnigen, aber saukalten Mittwoch machen sich einige Hardcore-Jünger bereits sehr früh auf den Weg zum “schönsten Arsch der Welt”. So nannte eine Kampagne vor circa fünf Jahren das sich prächtig entwickelnde Cham. Auffällig ist, dass der lässige L.A.-Club von Jahr zu Jahr auch immer mehr Publikum aus dem tschechischen Nachbarland zieht. Sehr cool! Neben den oft hochkarätigen, meist sehr gut besuchten Konzerten ist es auch das tolle, entspannte American Diner Flair und die gute Küche, welche ein großer Pluspunkt dieser Location ist. So stärkt man sich kollektiv erst mal mit Burgern und anderem US-Food, ehe in den Konzertbereich geschlurft wird.
Foto: Danny "Trabi" Jakesch
Die heutige Anheizer-Rolle dürfen die sympathischen DIY-Hardcore Jungs COLD FURY aus Sulzbach-Rosenberg machen. Ordentlich Dampf machen können diese ebenfalls, was mit einem amtlichen Moshpit quittiert wird, der sich schon vom ersten Song an entfacht. Nicht nur die Stange Diehard-Fans in den ersten Reihen, welche hier und da auch mal das Mikro hingehalten bekommen, um Shouts abzuliefern, gehen steil. Die Oberpfälzer verkörpern musikalisch den eher grobmotorischen, brachialen Hardcore mit fiesen Breakdowns, welche durch bestialische Uptempo-Parts aufgelockert werden. Die Mucke klingt erwachsen, gut abgehangen und schön brutal. Textlich lässt der Fünfer den Unmut über all das Negative in der Welt als auch dem eigenen Kosmos authentisch heraus. Unübersehbar und –hörbar aber stets in einem positiven Kontext. Message und soziales Engagement ist der Band wichtig. So sind sie auch schon in der Vergangenheit positiv mit zum Beispiel Spenden für das St. Marien Klinikum Amberg aufgefallen. Heute werden Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei und Unterschriften zum Erhalt des JUZ Burglengenfeld gesammelt. Am meisten hängen bleibt beim Rezensenten heute das Stück `Change Your Game` als auch das sehr gelungene, rotzig dargebotene Rawside-Cover `Faschopack`. Weiter so Männer!
Foto: Danny "Trabi" Jakesch
Die New-York-Hardcore-Urgesteine AGNOSTIC FRONT geben sich heute bereits das fünfte (!) mal die Ehre im L.A. Cham. Und den Gentlemen gefällt dieser Laden außerordentlich gut. Beim letzten Gastspiel im Juni 2022 probierte die Band auch mal eben vor der Show die Hotrod Cars aus. Wie auch zuletzt ist die heutige Show restlos ausverkauft und der Konzertbereich randvoll gefüllt, als das stimmungsvolle Intro `The Good, The Bad And the Ugly` von Ennio Morricone vom Band läuft. Nach dem mittlerweile obligatorischen `AF Stomp`, legen AGNOSTIC FRONT mit DEM Opener schlechthin, nämlich `The Eliminator`, gleich Vollgas los. Subjektiv gesehen wirkt vor allem Sänger Roger Miret im Vergleich zum letzten Sommer wesentlich gesunder, vitaler und energetischer. Wo man sich zuletzt anhand seiner Herz-Baustelle etwas Sorgen machte, ist die unkaputtbare Koryphäe heute wieder voll im Saft und genießt sichtlich die euphorischen Reaktionen in den ersten Reihen. `Dead To Me` von der „Warriors“ Platte wird heute total angepisst dargeboten und bringt den Moshpit gleich mal auf den Siedepunkt. Wie gewohnt ist es schön zu sehen, dass die Amis eine wilde Mischung aus Metalheads, Punk, Skins, Rockern und Normalos aus allen Altersklassen ziehen, welche entspannt zusammen abfeiern. Zu `A Mi Manera` sind dann auch die Stagediver wach und sorgen dafür, dass den größeren Gestalten vor der Bühne dank Workout nicht langweilig wird. Die Stimmung im L.A. ist heute wirklich großartig, wenn nicht sogar außerordentlich euphorisch. Bei `My Life My Way`, `Only In America`, `Old New York` und vor allem `For My Family` singt gefühlt die ganze Halle kollektiv mit und liegt sich teilweise sogar in den Armen. Große Gefühle, die man auch nicht jeden Tag auf Shows erlebt! Vinnie „Stigma“ macht dann für `Friend Or Foe` einen kleinen Ausflug in den Moshpit und lässt sich und seinen Wingman von einem stattlichen Circle-Pit umkreisen. Mega! Das Duo `Victim In Pain` und `Your Mistake` wird von Klampfer Craig Silverman besonders leidenschaftlich gezockt und mitgesungen – was die Altfans zusätzlich am Rad drehen lässt. Generell kann man Craig für den Enthusiasmus und die Live-Energie gar nicht genug auf die Schulter klopfen. Wo Stigma auch mal gerne rum blödelt oder nicht jeden Anschlag auf den Punkt spielt, zockt Mr. Silverman zu jeder Sekunde arschtight und mit voller Power. Dies ergänzt sich perfekt mit der unglaublichen Ausstrahlung und positiven Energie von Vinnie sowie dem Charisma von Roger. Nicht zu vergessen Tieftöner Mike Gallo, welcher nicht nur während dem länger nicht gespielten `Peace` von „Another Voice“ und `Crucified` (Iron Cross), wie ein Wiesel wirklich ständig in Bewegung ist, hüpft und konstant kernige Backing-Vocals beisteuert. AGNOSTIC FRONT sprudeln heute vor Motivation und Spielfreude förmlich über. Und dies in dem 42. Jahr ihres Bestehens. Da könnte sich so manche Combo alter, satter Säcke mal eine Scheibe abschneiden! Stigma singt das unvermeidliche `Pauly The Dog`, gefolgt von der ebenfalls von Vinnie gesungenen Live-Rarität `Power` von „Victim In Pain“. Hut ab für diese passionierte Darbietung, welche auch von Mr. Miret zufrieden grinsend vom Bühnenrand verfolgt wird. Die größte Band-Hymne seit der Wiedervereinigung ist und bleibt `Gotta Go`, ein Track dem einfach niemand überdrüssig zu werden scheint. `Addiction` fährt dann noch mal die treibende Aggro-Kante und mobilisiert die letzten Energiereserven, ehe das wunderbar kantig dargebotene Ramones-Cover `Blitzkrieg Bop´ leider schon den Deckel auf einen denkwürdigen Gig macht!
Kritikpunkte gibt es wie gewohnt nahezu keine. Leider wurde heute kein Stück von „One Voice“, dem Lieblingsalbum des Rezensenten, gespielt. Und wenn wir auf hohem Niveau jammern, hätten es auch 2-3 Stücke mehr wie auf vorhergehenden Konzerten sein dürfen. Aber dies hängt mittlerweile auch etwas von der Tagesform der in Würde gealterten Musiker ab. Bleibt nur zu hoffen, das AGNOSTIC FRONT noch einige Jahre voll im Saft weitermachen können und werden. HC4L!
Foto: Danny "Trabi" Jakesch