Fotos: Anna Schindler
Text: Michael Schindler
Donnerstag, 15. Juni:
Besonders erfreut ist darüber natürlich der Opener, denn der Auftritt von NUKE benötigt keinerlei Anlaufzeit, um bei der vor der Bühne versammelten Meute auf viel Gegenliebe zu treffen. Von der Anzahl zwar noch überschaubar, was zu dieser Tageszeit auch nicht sonderlich verwundert, geht das Publikum doch sofort mit der Band mit. Der ruppige Thrash Metal der Bregenzer ist offensichtlich genau das, was zum Anheizen nötig ist.
Derart angeheizt, ist die Zuhörerschaft leichte Beute für die nun folgenden TEARDOWN. Der Sound der Vorarlberger, die ihren Platz auf dem Aaargh mit dem Sieg bei einem Bandwettbewerb bekommen haben, ist deutlich moderner angehaucht als der ihrer Vorgänger, trifft aber offensichtlich den Geschmack der Leute.
Nachdem STEPFATHER FRED das Jahr zuvor schon kurzfristig für eine andere Band eingesprungen waren, haben die Mindelheimer dieses Jahr einen ordentlichen Platz in der Running Order, den sie auch konsequent nutzen. Hier hört man auch zum ersten Mal deutlich, dass das Festival technisch ordentlich aufgestockt hat, denn was da an Sound aus den Boxen kommt, knallt schon mal ganz amtlich und wesentlich druckvoller als noch 2022. Das macht den Gig der Unterallgäuer noch eine Spur intensiver und zieht alle Anwesenden in seinen Bann. Besonders die eindringliche Performance von Frontmann Simon lässt sorgt mehr als einmal für Gänsehaut. Ein erster Höhepunkt!
Aber nicht der letzte, auch wenn mit KANONENFIEBER nun ein deutlicher Stilwechsel zu verzeichnen ist. Der intensive Black/Death-Hybrid ist sehr viel düsterer angehaucht als alles, was bis zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne geboten wurde, trifft den Geschmack des Publikums aber genauso wie die Bands zuvor. Hier gehen Musik und Optik Hand in Hand und weiß durchweg zu gefallen.
Nach einem derartigen Vorspiel hat der Headliner des Abends leichtes Spiel. DISBELIEF übernehmen den Staffelstab nahtlos und bringen das Rennen in einem Triumphzug nach Hause. Mit derartigem Liedgut und einer solchen Performance hätte das aber auch ohne Vorbereitung geklappt. Die Hessen sind einfach eine Bank, so auch heute und bilden den perfekten Abschluss des ersten Festivaltages.
Freitag, 16. Juni:
Der frühe Tag ist der Jugend vorbehalten, folgerichtig wird der zweite Festivaltag von DIAMORTAL eröffnet. Die junge Band aus Kempten wirkt zu Beginn ihres Gigs wacher als die Zuhörerschaft, was sich im Laufe des Auftrittes aber ändert. Offenbar ist ihr Melodeath der goldrichtige musikalische Weckruf. Ist anfangs hauptsächlich der mitgebrachte Fanclub von DIAMORTAL begeistert, schwappt die Stimmung im Laufe der Zeit auch auf den Rest über.
Dieses Stimmungsniveau können die folgenden DISGUSTING PERVERSION dann leider nicht ganz halten; irgendwie fehlt der Performance etwas die eigene Note. Wobei der Gig zumindest solide ist und gegen Ende hin auch wieder mehr Leben vor der Bühne herrscht.
Es könnte aber auch sein, dass sich die Menge für BOSPARANS FALL schon mal in Stellung bringen wollte, denn die Wangener haben ein deutliches Heimspiel. Pünktlich zum Festival steht auch das Longplayer-Debüt der Allgäuer in den Regalen, so dass man hier schon fast von einer Release-Show sprechen kann. Auf jeden Fall ist das Konzert der Schwarzes-Auge Fans der erste Höhepunkt des Tages, was auch die Anwesenden so sehen und die Band gehörig abfeiern.
Etwas weniger mitreißend, dafür umso anspruchsvoller geht es weiter mit SWEEPING DEATH. Der leicht progressiv angehauchte Metal/Hardrock-Bastard der Bayern lädt ein zum Zurücklehnen und Genießen, was nicht wenige im Zuschauerraum dann auch tun.
Vorbei ist die Zeit zum Entspannen, das Aggressionslevel wird durch HATE SQUAD jetzt auf ein ganz anderes Niveau gehoben. Das führt dann auch zu einer nicht zu übersehenden Fluktuation vor der Bühne, die Hannoveraner sprechen ein deutlich anderes Publikum an als die vorherigen Bands. Das ist auch gut so, hier ist für jeden etwas dabei und die Besucher genießen den gesteigerten Adrenalinpegel sichtlich.
Wenn bei HATE QUAD vor der Bühne Vollgas gegeben wurde, dann ist das bei MOTORJESUS auf der Bühne so. Irgendwie kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, von den Gladbacher auf eine oktanhaltige Spritztour mitgenommen zu werden und wenige können oder wollen sich dagegen wehren. Dabei bleibt es eine zurückgelehnte Spritztour, die einfach Laune macht und die Laune im Stadl steigt merklich; nicht, dass sie zuvor schlecht gewesen wäre.
Ähnlich entspannt geht es mit SERIOUS BLACK weiter, massentauglicher Heavy Metal ist das Gebot der nun folgenden Stunde. Das Auditorium ist gut gefüllt, viele Bierbecher ebenso und so steht einem weiteren sehr soliden Auftritt nichts im Wege. Die Spielfreude ist spür- und sichtbar, was beim Publikum bestens ankommt und für viel Bewegung unter dem Dach sorgt.
Beim Freitags-Headliner zieht der Härtegrad dann wieder deutlich an, PARASITE INC. machen von Beginn an deutlich, dass jetzt keine Gefangenen gemacht werden. Richtig spacig wird’s dabei zu später Stunde, die Lightshow hebt sich von allem ab, was heute bisher geboten wurde. Aber der Sound steht dem in nichts nach, die Aalener erweisen sich als würdiger Headliner. Da werden auch eineinhalb Stunden Spielzeit nicht langweilig, ganz im Gegenteil. Die Halle ist voll, die Stimmung bestens und das trotz der mittlerweile doch recht späten Stunde.
Den Abschluss des zweiten Tages macht THE PRIVATEER. Schon die Aufmachung des Sextetts macht die Marschrichtung klar: Piratenmetal soll das Volk noch einmal zu Höchstleistungen anspornen. Selbiges frisst den Freibeutern aus Freiburg (wie passend) sofort aus der Hand und lässt es nochmal richtig krachen, bevor dann die Lichter wirklich ausgehen.
Samstag, 17. Juni:
Auch der Samstag steht erst mal im Zeichen des Nachwuchses. CREED ZERO haben die normalerweise eher undankbare Aufgabe, die Festivalbesucher aufzuwecken. Das machen sie aber sehr ordentlich, auch wenn man in Sachen Bühnenpräsenz vielleicht noch eine Schippe drauflegen könnte. Kommt aber sicherlich noch mit den Jahren.
Das sieht dann bei ENTGEIST schon anders aus, aber die sind ja immerhin schon zehn Jahre im Geschäft. Trotz des mittäglichen Sonnenscheins zaubern die Württemberger eine fesselnd düstere Atmosphäre auf die Bretter, die heute die Welt bedeuten. Die dreiviertel Stunde vergeht wie im Fluge und hinterlässt ein sichtlich befriedigtes Publikum.
Mit SCHERBENTANZ wird danach auch die NDH-Sparte abgedeckt, wobei auf der Bühne vor allem optisch Vielfalt herrscht. Und auch musikalisch bekommt man dabei keinen stumpfen Rammstein-Klon vorgesetzt, SCHERBENTANZ können durchaus eine eigene Duftmarke setzen. Ein Publikum findet dieser Gig ebenfalls, auch wenn „proppenvoll“ vielleicht ein etwas übertriebener Begriff zur Beschreibung des Andranges wäre; leer war es aber keinesfalls.
Sogar gut zehn Minuten mehr als angekündigt bekommt man von den Regensburgern und das hat seinen Grund. Denn die danach angekündigten ABBIE FALLS stecken im Verkehr fest und können leider nicht kommen. Deswegen dauert die Umbaupause für MUNARHEIM auch sehr lange, der Zeitplan will ja eingehalten werden.
Aber auch diese Pause geht vorbei und endlich gibt’s wieder was auf die Ohren. MUNARHEIM spielen von Anfang an vor voller Hütte, das Publikum hat wohl einfach genug von dieser krachfreien Zeit. Und so haben die Coburger leichtes Spiel, nicht dass sie die Pause nötig gehabt hätten, um Leute anzulocken. Eine Stunde lang unterhalten die neun (!) Musiker die Anwesenden aufs Allerfeinste und bekommen die entsprechenden Reaktionen aus der Menge.
KAMBRIUM finden dadurch ein schon auf Betriebstemperatur befindliches Publikum vor und können den Staffelstab problemlos übernehmen. Auch wenn es jetzt thematisch von der Sagenwelt in die Science-Fiction-Richtung geht, bleibt das Auditorium doch am Ball, Themawechsel hin oder her. Mit viel Spaß in den Backen zocken die Niedersachsen ein äußerst unterhaltsames Set, das allerortens für grinsende Gesichter sorgt.
Auch GRAVEWORM können dieses Level problemlos halten, heute läuft wohl alles perfekt und geht nahtlos ineinander über. Die Atmosphäre wird sogar noch etwas greifbarer als bisher und die Intensität des Gigs stellt nochmal eine Steigerung des bisherigen Festivaltages dar. Das südtiroler Quintett zeigt sich fokussiert und in überragender Spiellaune und setzt damit eine Marke, an der sich die folgenden Bands noch messen lassen müssen.
So auch der Festival-Headliener RHAPSODY OF FIRE, die ihre Sache zwar sehr ordentlich machen, aber die Intensität von vorher nicht ganz halten können. Das mag allerdings auch damit zu tun haben, dass die Veranstaltung nun schon eine ganze Zeit langläuft und den meisten Leute einfach langsam der Saft ausgeht. Der Durchhänger ist aber nur von kurzer Dauer, die Performance der Italiener sorgt dafür, dass noch letzte Energiereserven angezapft werden und so stellen sich RHAPSODY OF FIRE doch würdiger Headliner heraus.
Ein Festival braucht aber einen krönenden Abschluss und den machen auf dem Aaargh-Festival normalerweise die SILVERBACKS OF DEATH. Die können aber heute nicht und so springen CONVICTIVE ein, nicht ohne von einem Teil der Silverbacks unterstützt zu werden. Ohne „Bier aufm Aaargh“ geht’s halt nicht und da lassen sich auch CONVICTIVE dazu überreden, ihrem eigenen Stil einmal untreu zu werden. Man täte CONVICTIVE allerdings unrecht, sie nur als Aushilfe zu betrachten, mit ihrem Auftritt konnte die Duisburger noch ein abschließendes musikalische Statement setzen, dass das Aaargh erst wirklich abgerundet hat.
Was bleibt, ist die Erinnerung an ein gelungenes Festival in einer ganz eigenen Atmosphäre, das es so wohl nur im Allgäu gibt und geben kann. Weiter so, nächstes Jahr ist das wieder ein Pflichttermin.