In der Print-Ausgabe #112 wurde die Fortsetzung des Interviews mit John Falk von den vermeintlichen schwedischen Black Metal-Neulingen DEVOUR in Aussicht gestellt – ergänzt um einige Einblicke seines Kompagnons Fredrik Håf zu den Texten von „Across The Empty Plains“, dem ersten auch physisch erhältlichen Tonträger des einstigen Ein-Mann-Projekts.
Weder landeten Songs der frühen Demos auf dem ebenfalls nur digital veröffentlichten Debüt „All Hope Abandon”, noch wurden die beiden Songs der „Filth“-EP nun für „Across The Empty Plains“ recycelt. „Wir haben sogar noch gänzlich unveröffentlichtes Material in Hinterhand, vielleicht gibt es also später eine Zusammenstellung alle dieser Aufnahmen“, greift John den Faden auf. „Aber ich fokussiere mich lieber auf neue Songs. Wenn die nicht besser als die alten klingen, macht man etwas falsch und sollte nochmal von vorne beginnen. Ungefähr die Hälfte von allem, was ich schreibe, landet im Müll. Manchmal bin ich diesbezüglich vielleicht etwas zu radikal, aber letztlich sollte man eben sicherstellen, dass nur das beste Material auch an die Öffentlichkeit gelangt. Grundsätzlich bin ich mit digitalen Formaten ganz zufrieden, aber Vinyl besitzt wegen der Covergröße und toll aufgemachter Textblätter noch eine besondere Wertschätzung. Dieses Ritual, eine LP aus der Sammlung auszusuchen, aus der Hülle zu nehmen und dann für vielleicht 45 Minuten nichts anderes zu tun, außer gebannt zuzuhören, übt einen enormen Reiz auf mich aus. Leider zelebrieren die wenigsten heute noch Musik auf diese Art, die meisten hangeln sich an Playlists entlang, was etwas ganz anderes ist. Das funktioniert, wenn du gleichzeitig etwas anders tust und nur eine Hintergrundbeschallung suchst und man kann neue Bands entdecken. Aber darüber hinaus verpasst man etwas.“
DEVOURER hingegen würden etwas verpassen, sollten sie weiter nur als Proberaum- und Studioband existieren. „Manchmal hört man nur eine einzelne Gitarre, an anderen Stellen schichte ich bis zu sechs. Wir haben eine Besetzung im Hinterkopf, die niemanden überraschen sollte, der Fredrik und mich von gemeinsamen anderen Bands kennt.“
Besagter Fredrik soll als Texter und Textinterpret nun auch selbst zu Wort kommen. „Alter Sprachen faszinieren mich und ich würde gerne Lateinunterricht nehmen – eine schulische Vorbildung fehlt mir diesbezüglich. Mit Wörtern und Passagen in anderen Sprachen möchte ich wichtige Textstellen besodners betonen, für mich ist das Teil des künstlerischen Ausdrucks.“
‚Insania‘ liest sich, als seien die vermeintlichen Irren und Gestörten die wahrlich geistig Gesunden. Shinings Kvarforth würde womöglich zustimmen. Aber macht man es sich mit einer solchen Umkehrung nicht wie auch einer bloßen Spiegelung beispielsweise der zehn Gebote ins Negative etwas zu leicht? „Ich würde die Verrückten nicht als stabil bezeichnen, schon der Begriff beschreibt das genaue Gegenteil. Dennoch glaube ich, dass auch aus den Hirnwindungen dieser Verrückten etwas Weises ausgehen kann. Um Oscar Levant zu zitieren: „Es gibt eine dünne Linie zwischen Genie und Wahnsinn. Ich habe diese Linie ausgelöscht.“ Das fast knapp zusammen, was ich ausdrücken möchte. Viele große Geister irrten zwischen beiden Polen, und wenn diese Extreme kollidieren, kann faszinierendes entstehen. Nimm Nitzsches „Der Antichrist“ oder „Inferno“ von Strindberg (schwedischer Autor und Künstler verstarb 1912 – Anm. d. Verf.) als Beispiele. Die eigenen Dämonen zu erkunden fasziniert mich. Dafür muss man leiden und etwas von sich opfern. Ich lerne lieber, in der Dunkelheit zu sehen, als mich vom Licht blenden zu lassen oder stets Frucht vor dem Unbekannten zu haben.“ In ‚Nexus Of Evil‘ gelingt diese Introspektive. „ Das ist so ein Dämon, repräsentiert durch die eigene Dunkelheit. Es ist eigentlich Johns Text, zu dem ich einige Worte ergänzt habe, um ihn verständlicher zu machen. Er schrieb den Text in einer Zeit starken Drogenmissbrauchs, verbunden mit einem Abstieg in drastische Depressionen. Er ist also autobiographisch, wenn auch nicht für mich.“
Der Albumtitelsong scheint eine Verneinung von Wiedergeburt und einem Leben nach dem Tod zu formulieren. „So weit würde ich gar nicht gehen, dass wir gar nicht an so etwas glauben. Aber der Gedanke einer Wiedergeburt in fleischlicher Form allerdings ist absurd. Ich studiere viele qlipotische Texte und vertrete eine antikosmische Perspektive auf die Schöpfung. Ich glaube, dass die physische Form unseres irdischen Daseins eine Art Gefängnis ist, eine aufgezwungene Limitierung. Höllenfeuer sind wie Harfe spielende Engel Metaphorik. Sieh es so: Sollten wir die Heiligkeit einer Schöpfung oder gesetzlose Gedankenlosigkeit konfrontiert sein, könnten wir ihre Manifestierung mit den simplen Hirnen in unserer hiesigen Form gar nicht begreifen. Es ist eine Art halluzinierender Kommunikation, die in unser Unterbewusstsein reicht unf zu Erleuchtung oder Täuschung führt. Oft werden Formulierungen wörtlich genommen, obwohl sie viel komplexere Zusammenhänge betreffen. Das ist meiner Meinung nach ein Zeichen von Ignoranz, an die ich meine Zeit nicht verschwenden will.“
Obwohl die beiden Musiker recht gut vernetzt sind, fällt John keine erwähnenswerte Nachwuchsband aus Gävle ein, der man sein Ohr schenken sollte. „Es fühlt sich so an, als ob es hier weniger Bands als früher gäbe, aber da mag auch nur daher rühren, dass ich selbst nicht mehr nach ihnen suche. Was die Szeneinfrastruktur betrifft: Ich habe einige Demos im Studio von Peter Lake (Theory In Practice) in Sandviken aufgenommen). Er hat mir einige Basics in Aufnahmetechnik beigebracht, aber das meiste habe ich mir selbst angeeignet. Weil in den misten Bands, bei denen ich bislang involviert war, niemand ernsthaftes Interesse daran gezeigt hat, war ich immer für die Intonation der Saiteninstrumente, das Stimmen der Frums und allgemeine Produktionsabläufe zuständig.“
In Gävle wurden um die Weihnachtszeit immer wieder in den letzten Jahren der überdimensionierte, mehrere Meter hohe Julbock angezündet. Ein Trainingscamp für schwarzmetallische Kirchenfeinde? „Das wäre noch was Positives, aber es sind einfach besoffene Arschlöcher und Touristen, die denken, es sei eine Tradition, den Bock abzufackeln. Ich unterstütze das Abfackeln von vielerlei Dingen, aber ich verachte Ignoranz“, stößt er in ein ähnliches Horn wie Fredrik zuvor.
Für den lokalen oder gar nationalen Eishockeykader ist er auch nicht zu haben. „Motorsport fasziniert mich, je schneller, desto besser. Als Teenager war ich selbst aktiv. Mit zunehmendem Alter wurde es zu teuer und nachdem ich die Musik als meine größte Passion gefunden hatte, war es mit dem Rennsport vorbei. Ich war schon immer ein Adrenalin-Junkie und fahre heute noch gerne Motorrad oder alles mit einem kraftstrotzenden Motor wir ein Bekloppter.“
DEVOURER mag zwar Vielfraß bedeuten, ein großer Esser ist John allerdings nicht. „Bei unserem Bandnamen denke ich an schwarze Löcher, die ultimativen Vielfraße. Der ‚Wind‘ am Ende des letzten Stücks von „Across The Empty Plains“ ist der NASA nach der Klang eines solchen schwarzen Lochs. Viele halten es schlicht für Windgeräusche, aber sie machen sich auch nicht solche Gedanken über ein lichtloses Vakuum wie wir. Da ich meist alleine bin, genieße ich eine Mahlzeit nur selten. Meist esse ich nur, um einem Energieverlust oder Magenschmerzen vorzubeugen.“