Zunächst bleiben wir allerdings noch bei einem profaneren Thema. Im Heft-Interview erwähnte Stefan bereits, dass Neu-Schlagzeuger Stefan Hildman auf „Interregnum“ seinen Einstand feiert. Sein direkter Vorgänger hinter den Kesseln war kein Geringerer als Matte Modin, der sich in der schwedischen Szene durch seine Mitwirkung bei u.a. Defleshed, Dark Funeral und jüngst Firespawn bereits einen sehr guten Namen gemacht hat. „Zu der Zeit als Matte Teil von USURPRESS war (genauer gesagt zwischen unserer letzten Platte „The Regal Tribe“ und „Interregnum“), spielte er in insgesamt vier anderen Bands, die er mit Ausnahme von Firespawn alle verließ. Dies war seine Entscheidung und wir versuchten auch nicht, ihn umzustimmen. Ich glaube, dass seine Entscheidung richtig war, er ist ein äußerst guter Drummer und ein wirklich netter Typ! Bereits 1990 hatte ich damals zusammen mit ihm schon Death Metal gezockt, also kenne ich ihn quasi fast schon mein ganzes Leben lang! Aber vielleicht war USURPRESS einfach nicht die richtige Band für ihn und er nicht der richtige Schlagzeuger für uns. Wie auch immer, Firespawn läuft derzeit richtig gut, insofern hat er eine passende Entscheidung getroffen!“
USURPRESS-Bassist Daniel Ekeroth zeichnete einst für das legendäre Buch „Swedish Death Metal“ verantwortlich, einem umfangreichen wie unterhaltsamen Nachschlagewerk über die Entwicklung der Szene in der Heimat der Band. Demnach ist zu vermuten, dass Ekeroth in der Band auch für die meisten Anleihen an Uralt-Todesblei zuständig ist. „Ja und nein, aber meistens trifft diese Aussage wohl nicht zu! Danny und Gitarrist Påhl Sundström waren seit jeher die Hauptkomponisten in der Band und sie beide halten an dem Stil fest, den wir mit USURPRESS eingeschlagen haben. Selbstverständlich unterscheiden sich ihre spezifischen Formen des Songwritings, aber ich würde nicht sagen, dass sich Danny mehr an altem Death Metal orientiert als Påhl. De facto ist wohl eher das genaue Gegenteil der Fall! In der Vergangenheit hatte Påhl mehr Material als Daniel geschrieben, aber auf unserem neuen Album haben sich die beiden alles geteilt, jeder zeichnet in etwa jeweils für die Hälfte verantwortlich. Es ist offensichtlich, dass wir alle große Fans des alten Death Metal sind. Die Betonung liegt auf ‚alter‘ Death Metal, dies impliziert nicht notwendigerweise Old School Death Metal. Den Todesblei, den wir am meisten mögen sind diejenigen Gruppen, die von Hardcore oder Thrash Metal beeinflusst sind ohne dass sie das selbst wirklich wahrnehmen. Daniel schreibt gerade übrigens an einem neuen Buch über schwedischen Hardcore Punk der 80er Jahre. Ich habe bereits das meiste von dem gelesen was bis dato fertig ist und finde, dass das sehr unterhaltsam und interessant ausgefallen ist, speziell wenn man diese Art Musik mag, was bei mir der Fall ist! Das Ganze basiert viel mehr auf Interviews mit den Musikern als das bei „Swedish Death Metal“ der Fall war, weswegen man mehr den Standpunkt des jeweiligen Künstlers nachvollziehen kann als den des Autors. Das ist wirklich eine Mammutarbeit, also rechnet nicht vor zirka 2020 mit einer Veröffentlichung des Buches!“
Keine Dogmatiker
Zurück zum neuen USURPRESS-Album „Interregnum“: Ein durchgängiger textlicher roter Faden ist laut Aussage Stefans auf dem Longplayer nicht auszumachen. „Unsere vorherige Scheibe „The Regal Tribe“ war hingegen ein pures Konzeptwerk, das eine zusammenhängende Geschichte erzählte. Aber auf „Interregnum“ gibt es separate Storys, selbst wenn einige Stücke auf Charakteren von „The Regal Tribe“ aufbauen. Am offenkundigsten wird dies bei 'The Vagrant Harlot'. Andere Songs stellen Entwicklungen und/oder Fortführungen von früheren Tracks dar, die entweder vor oder nach der im Rahmen von „The Regal Tribe“ erzählten Geschichte stattfanden. 'The Iron Gates Will Melt' stellt beispielsweise ein Spiegelbild des Songs 'Trenches Of The Netherworld' dar.“ Wie eingangs bereits erwähnt möchte es Pettersson eigentlich eher vermeiden, eingehender über die Texte zu sprechen, da er immer Gefahr laufe, dass sich das Ganze entweder äußerst hochtrabend oder sehr banal anhört, im schlimmsten Fall würde Beides zugleich zutreffen. „Trotzdem werde ich mein Bestes geben und mich hoffentlich nicht wie ein Idiot anhören, haha! Wie ich zuvor bereits anmerkte erzählen unsere Texte Storys. Dabei handelt es sich um Kurzgeschichten, die im Format von Gedichten aus dem 18. oder 19. Jahrhundert zusammengefasst wurden. Und nein, ich versuche nicht, mich mit Goethe, Schiller oder Hölderlin zu vergleichen, ich erkläre hier lediglich das Gerüst unserer Texte! Unsere Lyrics sind sehr menschenbezogen, wobei es darin um eine Person, ein Paar, eine Gruppe von Leuten oder eine Gemeinschaft gehen kann. Das gemeinsame Thema ist immer der menschliche Aspekt. Im Laufe der Jahre habe ich eine USURPRESS-Welt erschaffen, in der sämtliche Begebenheiten vonstatten gehen. Wenn ich diese in lediglich ein paar Sätzen erklären müsste, so wäre das wie ein mittelalterliches Europa, in dem der Schwarze Tod die Gesellschaft, die katholische Kirche sowie das Feudalsystem zerstört hat. Stattdessen tritt eine seltsame neue Gesellschaft auf. Unsere Texte behandeln jene Zeit, als diese flügge gewordene Gesellschaft kurz davor steht, aufgrund ziviler Unruhen, Krieg sowie Zerstörung der Umwelt erneut zu kollabieren. Als Verfasser der Lyrics finde ich diesen Rahmen sehr hilfreich und von grenzenlosem Potential.“ Wenn man Musik, Texte und Artwork von Veröffentlichungen der Schweden anschaut erhält man schnell den Eindruck als sei es der Band wichtig, dass USURPRESS als Gesamtkunstwerk wahrgenommen werden. „Niemand liest sich heutzutage noch Lyrics durch, aber uns sind sie sehr wichtig und ein integraler Bestandteil von USURPRESS' Identität als Band! Unsere Texte spiegeln unsere Musik wieder, diese beiden Parts sind untrennbar miteinander verbunden. Was Artworks anbelangt so sind wir keineswegs Dogmatiker, aber wir wollen schon, dass jedes Album anders ausschaut als sein Vorgänger. Deswegen beschlossen wir auch, bei jeder unserer Scheiben mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten.“
Unbekannt und obskur?
Konzerttechnisch haben sich USURPRESS bis dato eher rar gemacht, weswegen viele Fans noch gar keine Vorstellung davon haben dürften, welche Art Show die Schweden auf die Bretter zaubern. „Unsere Live-Performances sind nichts wirklich Spezielles, schätze ich. Wenn ihr etwas vom Schlage Watain oder Alice Cooper erwartet fürchte ich, dass wir euch enttäuschen werden! Trotzdem versuchen wir, unserem Publikum gegenüber Respekt zu zeigen, weswegen wir nicht in Shorts, Jogginghosen oder dergleichen auftreten. Man muss dessen gewahr sein, dass ein großer Teil des Publikums bis dato noch nie einen unserer Songs gehört hat und es ist wahrscheinlich, dass sie noch ein paar Stücke lang mehr vor der Bühne verharren, wenn wir so aussehen, als ob uns die Musik, die wir machen, und die Leute, die beim Konzert weilen, schon wichtig sind. Wie Ölgötzen rumzustehen wäre da eher kontraproduktiv. Ich würde ferner definitiv sagen, dass unsere Konzerte eher Shows als Rituale sind. Das rührt von unseren Punk-Einflüssen her, denke ich mal.“
Auch aufgrund der Krankheit Stefans sind USURPRESS im Laufe der letzten paar Jahre so gut wie kaum aufgetreten. Künftig sind derzeit auch weder Einzelgigs noch Festivalshows geplant – noch nicht… „Im Laufe der letzten paar Jahre gab's lediglich zwei Gigs mit Matte Modin, außerhalb von Schweden haben wir dagegen schon ewig nicht mehr gespielt! Aber jetzt sind wir wieder bereit dazu, Konzerte zu geben und wir würden es lieben, eine kürzere Tour in Zentraleuropa wahrzunehmen oder bei einigen Festivals in Erscheinung zu treten. Die einzige Frage lautet nur, ob irgendjemand daran interessiert ist, für uns Shows zu buchen? Wir sind eine ziemlich unbekannte und obskure Band, die musikalisch gesehen nirgendwo so richtig reinpasst, weswegen ich es durchaus verstehe, wieso sich Booking-Agenturen eher um andere Gruppen bemühen.“
Keine Zeitverschwendung
Wie so oft betreibt Stefan hier mal wieder Understatement und macht seine Formation kleiner als sie eigentlich ist. Die Szene hat mittlerweile Notiz von USURPRESS genommen, wovon nicht zuletzt die Fortsetzung der Zusammenarbeit der Schweden mit Agonia Records spricht. „Interregnum“ stellt schließlich das erste Album von Pettersson & Co. dar, welches auf dem gleichen Label wie sein Vorgänger herauskommt. „Das ist richtig! Hey, darüber habe ich ja noch gar nicht nachgedacht, aber jetzt da Du das erwähnst, das ist korrekt! Nun, hinsichtlich „Interregnum“ war es das erste Mal, dass wir vorher einen richtigen „Plattenvertrag“ unter Dach und Fach hatten. Vor Agonia fragten wir einfach bei diversen Firmen an, die wir mochten, ob sie etwas von uns herausbringen wollen würden. Das waren grundlegend gesehen lediglich Deals über eine einzige Scheibe. Mit Doomentia Records waren wir sehr glücklich, das war das Label, über das „Ordained“ herauskam. Aber wir fanden, dass sie begannen, an Tempo und Schwung zu verlieren und nicht mehr so aktiv waren wie das mal der Fall war. Deswegen schickte ich damals eine Demo mit fünf Stücken, die sich später auch auf „The Regal Tribe“ wiederfinden sollten, zu Agonia und sie nahmen uns umgehend unter Vertrag. Wir sind glücklich und zufrieden mit ihnen. Es dauerte eine ziemlich lange Zeit bis unser letztes Album veröffentlicht wurde, aber beim Neuen ging alles superschnell vonstatten. Es wurde im Dezember abgemischt und im Februar auf den Markt gebracht! Das ist ganz schön krank wenn man bedenkt, dass Vinyl-Presswerke dieser Tage Wartezeiten von etwa sechs Monaten haben! Ich selbst erwartete eine Veröffentlichung nicht vor Juni dieses Jahres. Eine Sache, die ich hinsichtlich unserer Plattenfirma persönlich sehr mag ist, dass sie vollkommen ehrlich sind. Wenn sie etwas was du gemacht hast nicht mögen teilen sie dir das mit. Dies bedeutet, dass man, wenn sie sagen, dass etwas großartig ist, darauf vertrauen kann, dass sie es ernst meinen und einen nicht für dumm verkaufen, nur damit man glücklich ist. Darüber hinaus denke ich dass Agonia über ein gutes Veröffentlichungs-Programm verfügen. Ich bin vielleicht nicht gerade ein absoluter Fanboy aller ihrer Gruppen, aber ich glaube, dass sie es schaffen, fast ausschließlich Bands unter Vertrag zu nehmen, die über eine originelle Ausdrucksform sowie einen interessanten Anspruch Musik gegenüber verfügen. Agonia haben auch eine große Auswahl unterschiedlicher Bands unter ihren Fittichen, sie beschränken sich keineswegs auf nur eine Musikart. Jedes Mal wenn sie eine neue Scheibe herausbringen gehe ich immer auf Spotify und höre mir die Sachen direkt an!“
Beenden wir nun dieses Interview unter anderem auch mit einem Blick auf Stefans Top5-Alben. „Es war mir eine Ehre! Ich denke, dass alle Fragen, die du gestellt hast, relevant waren und dazu geeignet sind, Euren Lesern einen guten Einblick in USURPRESS zu gewähren. Also, liebe Leute aus Deutschland, hört mal in „Interregnum“ rein, wenn die Platte am 23. Februar draußen ist! Ich kann Euch keineswegs versprechen, dass Ihr sie mögen wird, aber ich kann garantieren, dass sie zumindest keine Zeitverschwendung darstellt! Hinsichtlich der von dir nachgefragten fünf Lieblingsalben muss ich vorausschicken, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin, was das Zusammenstellen von Listen anbelangt, aber ich werde es mal versuchen. Ich könnte parallel dazu wohl auch fünf komplett unterschiedliche Scheiben nennen, aber die nachfolgenden sind wirklich gut, und ich kehre irgendwie immer wieder zu ihnen zurück. Ich beschloss, ausschließlich Metal-Alben aufzulisten, denn darum geht's ja wohl bei Euch im „Legacy“, richtig?!
Terrorizer „World Downfall“, 1989:
Eine perfekte Kombination von Grind, Hardcore und frühem Death Metal!
Sabbat (UK) „Dreamweaver“, 1989:
Meiner Meinung nach ist Martin Walkyier der großartigste Texter im Metal und dies ist sein Meisterwerk!
Zed Yago „Pilgrimage“, 1989:
Es ist schon nahezu kriminell, wie sträflichst unterbewertet diese deutsche Band ist. Wenn Richard Wagner ein AC/DC-Album geschrieben und produziert hätte, würde sich das höchstwahrscheinlich so ähnlich anhören!
Paradise Lost „Gothic“, 1991:
Wundervolle Atmosphäre, mitreißende Gitarrenmelodien, großartiger Gesang – nichts in diesem Genre vermochte dem jemals auch nur annähernd das Wasser zu reichen!
Rainbow „Rising“, 1976:
Ich hätte eigentlich jedes Album mit Ronnie James Dio am Gesang nennen können, das zwischen 1975 und 1987 veröffentlicht wurde, aber ich hab mich für dieses entschieden!
Zu guter Letzt muss ich ja nicht mehr extra erwähnen, dass „Machine Head“ das großartigste Metal/Hard Rock-Album aller Zeiten ist, oder? – Das habt ihr ja ohnehin schon lange gewusst…!“