Madame Cadaveria hat sich bewusst Coversongs vorgeknöpft, deren Titel direkt einen weiblichen Bezug herstellen. „Ein Hauptkriterium für ‘Mater Tenebrarum’ war, dass es einer der populärsten Songs von NECRODEATH ist, denn ich unzählige Male live erlebt habe. ‚Christian Woman‘ hingegen ist Teil des Soundtracks meiner Jugend, Type O Negative sind für den Gothic-Lichterkranz um manche CADAVERIA-Songs verantwortlich. Als Flegias die Idee hatte, ‚Mater Tenebrarum‘ mit einem Outro aus Keith Emersons Soundtrack für Dario Argentos „Inferno“ zu versehen, hielt ich das für eine perfekte Idee. Zudem findet Kino einen dauerhaften Widerhall in unsrer Musik. Dass beide Songs aus der Perspektive weiblicher Charaktere formuliert sind, hat mir den Zugang sicherlich erleichtert. Außerdem gibt es eine magische Allianz zwischen der Mutter allen Obskuren und der Schatten-Madame… Und mag ich das Konzept, sexuell von Jesus erregt zu sein – der Song ist so verführerisch!“
Das NECRODEATH-Original von ‚Mater Tenebrarum‘ ist brutal und direkt. Es entstand zu einer Zeit, in der Flegias noch gar nicht in der Band war und wurde 1987 von Ingo eingebrüllt. „Ich antworte hier als Marçelo Santos. Unsere neue Songstruktur hatte ich schon im Kopf, bevor wir ins Studio gingen. Damals war ich in der glücklichen Lage, „Into The Macabre“ zu hören zu bekommen, bevor es offiziell veröffentlicht war, weil ich ein riesiger Fan und Freund der Band war. Ich kannte den Song schon von ihrem „The Shining Pentagram“ Demo und Ingos Stil beeinflusste mich als Sänger enorm. NECRODEATH waren Pioniere dieses Genres in Italien. Was das neue Intro betrifft: es sollte feierlich und chorartig sein. Es gibt diese Ideen, die sich einmal festsetzen und nicht wieder verschwinden… Das war eine davon. Es war klar, dass unser scheidender Gitarrist Frank das Gitarren-Arpeggio in einen orchestralen Keyboard-Part umwandeln musste. Die übrigen Instrumente mussten sich im kriegerischen Crescendo aufeinander aufbauend bis zum Beginn des eigentlichen Songs dazugesellen. Ich bin so glücklich, dass es exakt so klingt, wie ich es mir vorgestellt habe. Auch dieses „Inferno“ Outro wollte ich schon lange umsetzen. Ich verehre dieses Thema, hatte aber nie die Chance, es zu spielen und ihm einen Metal-Ansatz zu verpassen. Jetzt war die perfekte Gelegenheit: Die drei Mütter waren sowohl für den NECRODEATH-Song wie für den Film konstituierend. Cadaveria kann dir erzählen, wie Lindsays Partizipation zustande kam.”
Genau das tut die Grande Dame des Horror Metal. „Letztes Jahr wurden CADAVERIA als Opener für den italienischen Teil der „Inquisitional Torture“ Tour von Cradle Of Filth auserwählt. Bei dieser Handvoll Shows konnten wir die Fähigkeiten von Lindsay erleben. Eines Tages saßen wir Backstage, ich spielte ihr das Cover vor und bat sie um ihre Teilnahme. Sie war direkt sehr enthusiastisch. Weil sie in Kanada lebt, mussten wir es nach der Tour über diese große Distanz bewerkstelligen, aber es verlief alles problemlos. Die anderen Opernstimmen rekrutierten wir an einer lokalen Gesangsschule. Keine von ihnen hatte ein Faible für Metal oder bislang je eine professionelle Aufnahme getätigt. Daher waren die Sängerinnen voller Elan und fanden diese Erfahrung interessant.“
Flegias ist unter seinem genannten Pseudonym seit der Gründung von CADAVERIA 2001 dort Drummer und war es zuvor schon bei Opera IX. Als Stimme von NECRODEATH knöpfte er sich nun aus einer anderen Perspektive ‚Spell‘ vom CADAVERIA-Debüt vor. „Ich schlug den anderen in der Band diesen Song vor, oder besser: Ich nötigte sie dazu. Die anderen versuchten, mich umzustimmen und einen einfacher umsetzbaren Song zu wählen, aber ich blieb stur. Die Leistungen von Peso und Pier geben mir recht. Sie haben es phänomenal verstanden, diesem Track die Identität der eigenen Band zu verleihen. Peso war am skeptischsten, weil er einen ganz anderen Drum-Stil als ich hat. ‚Spell‘ hat kontinuierliche Rhythmuswechsel und bpm, aber dank seiner Technik und Erfahrung hat er es grandios gelöst. Ich hatte viel größere Probleme und hätte nie gedacht, dass CADAVERIA-Songs so schwer zu singen sind.“
Bei den jeweils neuen Songs jeder Band unterstützt man sich gegenseitig. „Wir werden ‚Dominion Of Pain‘ nächstes Jahr im CADAVERIA-Set haben. Aber der Song wird auf keiner anderen Veröffentlichung zu finden sein, ich hasse Recycling. Fans verdienen brandneue Songs. Und wir haben genug zu sagen, um das zu erfüllen. Wer diesen Song in seiner Sammlung haben will, sollte sich beeilen, denn als limitierte Pressung verkauft sich „Mondoscuro sehr schnell“, betont Cadaveria. „Der Text thematisiert Selbstbewusstsein und mentale Stärke, die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren und schlechte Gefühle in positive Taten und Gedanken umzuwandeln. Während der letzten Jahre unternahm ich einen langen Spaziergang in meine Seele und erreichte ein neues Bewusstseinslevel. Meine Lebensart, mein Credo basieren drauf, meiner Seele treu zu bleiben und das beinhaltet neben anderen Aspekten stets die Wahrheit zu sagen. Viele Menschen lügen in verschiedenen Situationen beispielsweise zum die Illusion zu vermitteln, sie seien cool, echt, gut drauf – und dabei wollen sie dich nur manipulieren. Sie wollen anders wahrgenommen werden, als sie sind, haben nicht den Mut, ihre wahre Essenz zu zeigen. Ich habe meinen Frieden mit der Wahrheit gemacht. Der Text spricht die „Brutalität der Wahrheit“ an, viele Menschen wollen sie nicht akzeptieren und fühlen sich verletzt. Ja, sie kann verletzen, aber sie befreit auch!“
‚Rise Above“, der neue NECRODEATH-Song ist teilweise auf italienisch verfasst. „Wie unser letztes Album “The Seven Deadly Sins”. Das Singen in meiner Heimatsprache ist für mich schwieriger. Der Klang ist anders, erinnert mich mehr an Hardcore. Weil ich kein perfektes Englisch spreche, habe ich die Freiheit, die Sprache als Instrument zu nutzen. Ich muss mir nicht bei jedem Wort Gedanken machen, wie es akzentuiert wird und wo ich eine Phrase teile, um atmen zu können. Ich bin sehr froh darüber, wie Cadaveria als Texterin die Akzente gesetzt hat. Sie hatte bereits die Dialogform vorgesehen, man wohnt als Hörer einem Gespräch bei. Wir konnten als Sänger beide unsere Identitäten wahren.“ Bei dem Titel denkt man unweigerlich an das gleichnamige Doom-Label von Lee Dorian. „Ich will der Realität nicht entfliehen, ich will mich über sie erheben“, betont die Lyrikerin. „Manchmal muss man alle störenden äußeren Einflüsse ignorieren, die einen vom Weg abbringen können. Es ist wie in einem extrem lauten Raum die Kopfhörer aufzusetzen, um die Stille zu hören und darin die eigene Dimension und Balance zu finden. Wenn du deinen Pfad gefunden hast, dann komme nicht davon ab und lass dich nicht von anderen bremsen. Ich bewundere Lee Droian, aber die Assoziation zu seiner Firma hatte ich nicht. Label sind nicht wirklich das Beste auf der Welt, also sollte man ihnen auch keine Hommage erbringen.“
Die bewahrt sie sich für jemand anderen. Cadaveria betonte schon eingangs, was sie an Type O Negatives ‚Christan Woman‘ besonders schätzt. „Nun, „Jesus Christ looks like me“ zu singen, klingt so ironisch und unreligiös. Ich bin ein großer Fan von Pete Steele und näherte mich diesem Song mit enormen Respekt. Es war eine Herausforderung, weil wir die Originalstruktur und Länge beibehalten wollten, als Zeichen unserer Ehrfurcht vor der Band. Gleichzeitig wollten wir dem Song unseren persönlichen Touch verleihen. Sicherlich fühle ich mich freier, wenn ich meine eigenen Songs singe. Wir beachteten alle Details, unsere Version klingt angemessen, ruhig und elegant. Ich spielte mit verschiedenen Aspekten meines Stimmumfangs und habe meine Seele hineingelegt. Die ergebensten Fans werden erkennen, dass wir am Songanfang ein Riff aus dem Song ‚Bloody Kisses‘ und am Ende eins von ‚Too Late: Frozen‘, eingefügt haben.“
Eine gänzlich andere Wahl haben NECRODEATH mit ‚Helter Skelter‘ getroffen - einem für Paul, John, George und Ringo heftigen Song mit einer ungewohnt finsteren Terminologie. „Von jetzt an werden mich alle The Beatles-Fans hassen, aber es gelang mir nie, diese Band zu lieben. Ich wurde mit Ohren geboren, die nach wahnsinnigen und schlecht gespielten Krach verlangten. Ich hasste die Beat-Generation und fand ihren Scheiß immer zu leichtgewichtig für meinen Geschmack. Ich bin mir der historischen Bedeutung bewusst und weiß, dass es ohne sie wahrscheinlich keinen Heavy Metal geben würde. Niemand in meiner Familie hörte sowas, bei uns lief nur Metal – ich war der einzige im Haus, der sich überhaupt für Musik interessierte, LPs und Kassetten kaufte. Peso hat das Lied ausgewählt, er ist ein echter Experte für Ringo Star und die Band. Ich kannte weder das Original, noch die Version von Mötley Crüe, hatte zufällig die Interpretation von U2 öfter gehört. Bevor wir ins Studio gingen, machte ich mich schlau und hörte mich durch alle Coverversionen dieses Songs, aber das hat mich nur völlig konfus gemacht. Mit einer ersten Gesangsaufnahme war ich völlig unzufrieden, also kehrte ich ins Studio zurück, machte mich von allen Einflüssen frei und brüllte im puren Flegias-Stil. Wir hatten auch ein paar andere Beatles-Stücke diskutiert, aber weil dies der erste Heavy Metal.-Prototyp war, entschieden wir uns für ‚Helter Skelter‘.“
Cadaveria hingegen betont, dass ihre Band für „Mondoscuro“ einen Song suchte, der allen Mitgliedern etwas bedeutet. „Persönlich habe ich seit Jahren die Idee zu jeweils einem bestimmten Song von Alan Parsons Project, The Cure und Phil Collins ein Cover einzuspielen. Type O Negative betrachten wir alle als Meilenstein, „Bloody Kisses“ war ein Dauerbrenner während unserer Jugend.“
Spezielle „Mondoscuro“ Shows sind nicht geplant, Die Hard-Fans hatten die Möglichkeit, bei einem jährlichen großen italienischen Festival einer einmaligen Performance beizuwohnen. „Dieses Jahr waren unter anderem Sodom und Dark Tranquillity dort. Wir kombinierten auf der Bühne fortwährend andere Besetzungen aus unserem Musikerpool und spielten zum Schluss ‚Rise Above‘ mit allen sechs Musikern - es war ein beeindruckendes Konzert, sicherlich eins der besten in unseren Karrieren. Da ist es schon fast schade, dass wir so etwas in Zukunft nicht wiederholen werden.“