Als „ziemlich chaotisch“ umschreibt Pete die glorreichen 80er Jahre, als ANTISECT von 1982 bis 1987 die Szene unsicher machten. „Chaotisch, aufregend, inspirierend. Wir waren alle in einem Alter, in dem uns vieles von dem was wir sahen zum allerersten Mal überhaupt widerfuhr. Und das bedeutete auch, dass wir lernten, mit Dingen, mit denen wir konfrontiert wurden, spontan umzugehen. Es gab einfach noch nicht allzu viele Wegweiser, an denen wir uns orientieren konnten. Die Band-Explosion war ganz schön unglaublich und es war fast schon so als wenn man nahezu jede Woche oder jedes Monat eine neue „Lieblingsgruppe“ entdecken konnte. Es gab auch viele andere Formationen, mit denen wir zusammen spielten und zu denen wir festere Bindungen aufbauten: Discharge in den Anfangstagen zum Beispiel, oder Flux Of Pink Indians, Crucifix und Dirt. Wenngleich ANTISECT in Daventry gegründet wurden, weilte die Gruppe dort lediglich für einen Zeitraum von etwas über ein Jahr oder so, bevor die meisten von uns für kurze Zeit nach Northampton und dann schlussendlich nach London zogen, wo wir die meiste Zeit unserer Bandgeschichte verbrachten. Unser Umzug in die britische Hauptstadt war teilweise dadurch angeregt, dass wir mehr mit den Wurzeln der meisten Dinge, die damals gerade so stattfanden, interagieren wollten. Obwohl überall im ganzen Land eine Menge passierte, verbrachten John Bryson (Bass, Gesang) und ich vermehrt Zeit in London und nach einer Weile wurde diese Stadt der Ort, wo wir uns auf natürliche Art und Weise am wohlsten fühlten.“
Kaum Weiterentwicklung?
Etwas Probleme bekommt Pete, wenn er die Punk-Szene seiner Jugend mit der von heute vergleichen soll. „Das ist schwierig, zumal ich die Dinge heute mit den Augen eines Individuums sehe, das mittlerweile viel älter geworden ist. Ich stelle jedoch fest, dass sich, von einigen wenigen erwähnenswerten Ausnahmen mal abgesehen, vieles schlichtweg nicht allzu sehr von dem Status Quo aus weiterentwickelt hat wo wir in den späten 80er Jahren aufhörten. Sicherlich hat sich die DIY-Kultur seit der Auflösung von ANTISECT weiter verbreitet und sich in vielen weiteren Gegenden der Welt festgesetzt. Was jedoch die Verbreitung einer Botschaft anbelangt, so finde ich die Engstirnigkeit und insulare Lage so mancher Aussage leider immer noch ein bisschen widersinnig. Andererseits könnte man dasselbe über die Situation von einst sagen. Das war dann auch in der Tat eine der Sachen, die mich irgendwie desillusionierten und zum Auseinanderbrechen der ursprünglichen Band führten. Letzten Endes ist es jedoch sehr cool, dass es unabhängige Orte gibt, in denen Bands spielen und Leute miteinander in Kontakt treten können. Die Gefahr, eine derartige Hardcore-Szene miterschaffen zu haben impliziert jedoch auch, dass ihre spezifische Natur es manchmal als äußerst schwierig gestaltet, das Potential einiger Ideen, die sich darin befinden, jenen zu vermitteln, die außerhalb dieser Szene weilen.“ Den kreativen Ergüssen aktuellerer, neuerer Bands verschließt sich Pete keineswegs, selbst wenn er nicht immer direkt am Zahn der Zeit weilt. „Es kommt ganz darauf an was man unter „neu“ versteht. Ich habe kaum Zeit, mir so viele andere Gruppen wie in der Vergangenheit anzusehen, weswegen ich von dem was momentan in diesem Genre abläuft eher lediglich einen ziemlich begrenzten Ausschnitt mitbekomme. Das hängt dann oft davon ab, mit wem wir zusammen spielen, wenn wir auf Tour sind. Ein oder zwei Formationen stechen dabei sehr hervor, aber diese können wohl kaum als „neue“ Bands bezeichnet werden, so mag ich beispielsweise Wolf Brigade sehr und Opposition Rising sind eine hervorragende Live-Band!“
Staatlich initiierter Vernichtungsfeldzug
Songs für ein anvisiertes zweites Album namens „Welcome To The New Dark Ages“ wurden nach Veröffentlichung der legendären „Out From The Void“-EP zwar fertiggestellt, die Platte erblickte jedoch nie das Licht der Welt. Stattdessen lösten sich ANTISECT 1987, nach gerade mal fünf Jahren Bandgeschichte, schon wieder auf. „Wir waren zu abgefuckt, so dass wir unseren Scheiß nicht auf die Reihe kriegten, um das Ganze ordentlich durchzuziehen. Jeder von uns war irgendwie mit anderen Dingen beschäftigt. Und grundlegend gesehen lag es weit jenseits unserer damaligen Möglichkeiten, diese Songs zu spielen, wenngleich im Wesentlichen ein Großteil des Albums bereits vorhanden war. Die Studio-Sessions waren ziemlich drogen- und alkoholverseucht und, um ehrlich zu sein, verwalteten wir die Sache einfach nur schlecht. Das war damals auch zu einer Zeit als wir immer desillusionierter wurden was die Szene um uns herum betraf. Zudem wurde das Verfassen von Texten ebenso immer schwerer. Für gewöhnlich will ich in dem was ich schreibe auch immer etwas Positives wiederfinden, aber damals versammelten sich nicht nur über meinem Kopf und dem der Band düstere Wolken, sondern über der gesamten Szene. So erreichte ich hinsichtlich dessen was ich wie ausdrücken wollte irgendwie das Ende der Fahnenstange. Dies hatte zur Konsequenz, dass mir zu der Zeit, wenngleich die Musik bereits ein gewisses Level erreicht hatte, die Wörter einfach nicht mehr einfielen. Letzten Endes lösten sich alle guten Ansätze einfach in Luft auf und die Sessions gehörten der Vergangenheit an.“
Für das Ende von ANTISECT waren dann mehrere Punkte ausschlaggebend. „Die Desillusionierung hinsichtlich der Szene, auf die ich zuvor bereits einging. Der Optimismus, der damals in unseren Anfangstagen vorherrschte verflüchtigte sich, weil die Thatcher-Regierung alles demontierte, das eine Herausforderung darstellte in Bezug darauf wie sie wollte dass die Dinge laufen. Das Ergebnis war, dass viele Leute, die am Rande der Gesellschaft lebten, nun die ganze Macht des staatlich initiierten Vernichtungsfeldzuges in Bezug auf ihren Lebensstil zu spüren bekamen. Ein zunehmender Teil der „Szene“ fing damit an, Trost in Alkohol und anderen Drogen zu finden und dies führte zu einer schrittweisen Auflockerung der Ideale der Leute. Dies zeigte sich auch auf den Konzerten, die zunehmend chaotischer wurden, bis ein Punkt erreicht wurde, an dem wir nicht mehr spürten, dass überhaupt noch jemand jenen Gedanken, von denen wir kündeten, lauschte. Dem gesellte sich zudem noch die Tatsache hinzu, dass die meisten Gruppen mittlerweile in London angesiedelt waren und dass die fragwürdige Natur dieses Umstandes dadurch intensiviert wurde, dass unser damaliger Sänger Tim Andrews und unser Bassist Laurence Windle beschlossen, die britische Hauptstadt zu verlassen, um ihr Leben fortan auf der Straße zu verbringen. Diese Sache führte uns an einen Punkt, an dem wir fühlten, dass die Backsteinmauer, gegen die wir mit unseren Köpfen schlugen, bei uns zu viele Wunden hinterlassen hatte. Wir setzten uns nicht wirklich hin und fällten eine bewusste Entscheidung, uns aufzulösen. Es wurde einfach zusehends impraktikabel weiter als funktionierende Band zu existieren und so nach und nach ging jeder seine eigenen Wege.“
Das Rotieren der Drehtür
Im Jahr 2011 folgte dann die Wiederauferstehung von ANTISECT. Dabei ist Pete Lyons der einzige, der noch von der alten Besetzung übriggeblieben ist. „Ich denke, dass es ganz darauf ankommt, auf welches alte Line-up Du anspielst. Die einzige Person derjenigen Besetzung kurz vor unserer Auflösung, die bei der Reunion fehlte, war unser alter Schlagzeuger Polly. Als ich nach vielen Jahren, in denen ich nach einem Comeback der Band gefragt wurde, schlussendlich den Bitten nachgab und anfing, diesbezüglich Leute zu kontaktieren, spürte ich, dass ich das nur machen könnte wenn ich zu 100 % mit den Menschen zufrieden war, mit denen ich das durchziehen wollte. Ich sprach einige Male mit Laurence, dem Bassisten kurz vor unserer Auflösung, darüber. Und wir waren uns beide darüber einig, dass, sollten wir jemals so ein Projekt wieder angreifen, wir uns erstens nicht daran beteiligen würden, wenn wir nicht davon denken würden, dass wir all unsere Fähigkeiten in die Waagschale würden werfen können. Zweitens sollte jeder Beteiligte genauso denken und schlussendlich sollte sich jeder mit der finalen Auswahl an anderen Bandmitgliedern wohl fühlen. Als wir uns mit jedem trafen, der aufgespürt werden konnte, äußerten wir alle ähnliche Gefühle in Bezug darauf, wen wir dabei haben wollten und wen nicht. In gewisser Weise ergab sich auf Basis dessen schlussendlich die Reunion-Besetzung. Wie sich herausstellte dauerte es nicht lange bis klar wurde, dass sogar einige der im Rahmen des oben genannten Treffens Anwesende andere Vorstellungen darüber besaßen, wie die Band funktionieren sollte und was das Ausmaß des Engagements das sie zu investieren gewillt waren betraf. Deswegen rotierte die ANTISECT-Drehtür einmal mehr, genauso wie das seitdem auch schon wieder einige weitere Male passiert ist.“
Abschließend bleibt noch ein Ausblick in die Zukunft: Die Briten werden nach Veröffentlichung ihrer neuen Scheibe „The Rising Of The Lights“ nicht wirklich intensiv livetechnisch unterwegs sein, einige ausgewählte Gigs stehen dennoch in Aussicht. „Haltet auf unserer Website nach diesbezüglichen Terminen Ausschau! 2018 werden wir live mehr aktiv sein.“ Hinsichtlich der Bedeutung des Bandnamens rät Pete indes, die Suchmaschine eines bekannten Internet-Anbieters zu bemühen. „Irgendwo ganz unten auf der Seite gibt’s einen Querverweis auf ein Buch namens „Freedom Of Religion Or Belief, Anti-sect Movements And State Neutrality“. Das hört sich ziemlich tiefgründig und interessant an, aber wenn mich meine Erinnerung nicht im Stich lässt, wurde der Name von Ade Miller, einem frühen Mitglied unserer Band, ins Spiel gebracht, nur weil er den Klang des Wortes „Antisect“ mochte. Niemand, der damals mit dabei war, dachte allzu angestrengt über eine Alternative nach, weswegen der Name blieb, und hier sind wir nun!“